2D-Code: Einer für alles
Über das Potenzial der Migration von linearen Strichcodes zu dynamischen 2D-Codes
Seit seinen Anfängen in den 1970er Jahren hat der Barcode unser Einkaufserlebnis maßgeblich geprägt. Jetzt stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Ära der Produktkennzeichnung. Der vertraute ‘Beep’ an der Kasse, ermöglicht durch die von GS1 verwalteten Barcodes, bekommt nun Konkurrenz. Der 2D-Code, ob als Datamatrix oder QR-Code, bietet weit mehr als sein eindimensionaler Vorgänger und verspricht eine Revolution für Handel, Hersteller und Konsument:innen.

Welche Chancen und welche Zukunft sehen Sie für 2D-Codes?
Thomas Fell: Die Zukunft der 2D-Codes ist wegweisend. Diese Codes, wie der QR-Code und der GS1 DataMatrix, gehen weit über Funktionen des klassischen Strichcodes hinaus. Sie ermöglichen die Verknüpfung deutlich umfangreicherer Informationen – in Echtzeit und auf Produktebene. Damit eröffnen sich neue Potenziale für Rückverfolgbarkeit, Fälschungssicherheit und direkte Verbraucherkommunikation. Für Branchen wie Lebensmittel, Healthcare oder Konsumgüter sind 2D-Codes ein zentraler Baustein der digitalen Transformation.
Was sind die wesentlichen Vorteile dynamischer 2D-Codes gegenüber eindimensionalen Codes?
Thomas Fell: Verbinden wir einen 2D-Code mit dem Standard GS1 Digital Link, sprechen wir von dynamischen 2D-Codes. Im Gegensatz zu statischen Strichcodes ermöglichen sie die Bereitstellung von produktspezifischen oder sogar individuellen Informationen – wie etwa Haltbarkeitsdaten, Chargennummern oder weiterführenden digitalen Inhalten. Dadurch können Rückrufe verbessert, Angebote personalisiert und regulatorische wie auch nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen effizient erfüllt werden – alles über einen einzigen Code. Der Code auf dem Produkt bleibt der gleiche, die Informationen dahinter sind variabel. Je nachdem wo, wann und mit welchem Endgerät ich einen Code scanne.
Glauben Sie, dass es generell genügend Bewusstsein für die bevorstehenden Veränderungen ab 2028 gibt?
Thomas Fell: Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass der Übergang zu 2D-Codes auf Produkten keine Verpflichtung darstellt. Mit dem Migrationsprojekt bieten wir Herstellern die Möglichkeit, ab 2028 Strichcodes durch 2D-Codes auf ihren Produkten zu ersetzen. Es trägt dafür Sorge, dass bis Ende 2027 die Kassen den Preis auch aus 2D-Codes lesen können. Welcher Barcode dann ein Produkt ziert, entscheidet allein der Hersteller.
Aktuell befassen sich erste Vorreiter mit der Technologie. Sie gehen mit ausgewählten Cases in die Umsetzung. Sicherlich ist ein großer Teil der Unternehmen – insbesondere im Mittelstand – noch nicht ausreichend vorbereitet. Deshalb ist es wichtig, dass wir hierzu weiter vernetzt bleiben, uns kontinuierlich austauschen und nicht zuletzt über Use Cases, die Potenziale von 2D-Codes veranschaulichen.
Thomas Vollmuth: Obwohl die Umstellung auf 2D-Codes für Markenhersteller nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht die Möglichkeit, dass der Einzelhandel sie zur Pflicht macht. Große Einzelhändler wie Migros und Coop haben bereits angekündigt, womöglich vollständig auf 2D-Codes umzustellen.
Wie wichtig ist das Projekt 2D-Migration für die breite Aufklärung der Beteiligten?
Thomas Fell: Die 2D-Migration ist ein Leuchtturmprojekt von entscheidender Bedeutung, das die Branche durch diesen komplexen Wandel führt. Mit klaren Zielbildern, Zeitplänen, Best Practices und gemeinsamen Umsetzungshilfen schaffen wir Orientierung und Sicherheit. Die Tatsache, dass wir gemeinsam mit den Anwender:innen den Übergang gestalten, fördert das Vertrauen aller Beteiligten – von Herstellern über Händler bis hin zu Technologiepartnern. Umgekehrt lässt sich ebenso sagen, dass die breite Information aller Beteiligten wichtig ist, um das Projekt voranzutreiben.

Welche Vorschläge haben Sie, wie Organisationen den Weg gemeinsam mit ihren Partnern gehen?
Thomas Fell: Es steckt in unserer GS1 DNA, dass wir immer wieder gerne betonen, „Gemeinsam geht es besser als alleine“. Seit Jahrzehnten bieten wir daher unseren Kunden eine neutrale Plattform für den Austausch. Wissen teilen, voneinander lernen und zusammen gestalten bringt uns auch bei diesem Thema schneller wie auch nachhaltiger voran. Speziell zur 2D-Migration leben dies in einem Expertenkreis Anwender:innen aus Industrie, Handel und Solution Partnern mit unseren Standardsprofis.
Konkret ist es zudem wichtig, Verpackungshersteller frühzeitig in strategische Gespräche einzubeziehen und über technische Anforderungen zu informieren. Markenhersteller profitieren unter anderem von Best-Practice-Beispielen, um den konkreten Nutzen und ROI zu verstehen. Und Einzelhändler sollten über Pilotprojekte und Testumgebungen eingebunden werden, um die Vorteile in der Praxis zu erleben – etwa an der Kasse, in der Logistik oder bei Kundeninteraktionen.
Wie wichtig ist ein abgestimmtes, koordiniertes Vorgehen?
Thomas Fell: Wie gesagt: Gemeinsam geht es besser. Ein koordiniertes Vorgehen ist absolut unerlässlich. Deshalb kommt hier niemand alleine gut voran. Eine fragmentierte Umsetzung würde zu Ineffizienzen, Unsicherheit und höheren Kosten führen. Nur durch ein gemeinsames Verständnis von Standards, technischen Voraussetzungen und Zeitplänen kann das volle Potenzial der 2D-Codes realisiert werden.
Thomas Vollmuth: Global gesehen erfordert all dies auch eine Harmonisierung der regulatorischen Anforderungen für 2D-Codes, um den internationalen Handel zu erleichtern – und genau das ist das Thema, mit dem sich GS1 aktuell auseinandersetzt.
Welche Vorteile sehen Sie für Ihre Kunden?
Thomas Fell: Die 2D-Migration ermöglicht uns als Wegbereiter für unsere Kunden, Trends zu antizipieren, Lösungen für Herausforderungen mit ihnen zu gestalten und als Enabler für ihre Digitalisierung wirksam zu sein. Der Wechsel zur neuen Barcode-Generation unterstützt die Player am Markt auf ihrem weiteren Weg als wettbewerbsfähige Akteure, die in den dynamischen 2D-Codes eine Antwort auf die wachsenden Anforderungen durch Gesetzgebung und Verbraucher:innen finden.
Thomas Vollmuth: Dynamische Codes eröffnen vielfältige Möglichkeiten für 'Early-Stage-Customization'. Mittels Track & Trace ermöglicht dies somit eine verbesserte Lieferkettentransparenz sowie ein optimiertes Bestandsmanagement. Die Codes können unter anderem als Datenträger für Qualitätsdaten (Produktionsdaten und Mindesthaltbarkeitsdatum) und zur Erfassung von CO2-Emissionen genutzt werden.
Zusätzlich ermöglichen 2D-Codes eine nahtlose Integration in die Welt von Connected Packaging, indem sie Verbraucher:innen direkt zu Produktseiten, individuellen Angeboten oder interaktiven Markenerlebnissen führen. Unternehmen gewinnen wertvolle Echtzeit-Daten über Kundeninteraktionen, die für personalisierte Kampagnen und optimierte Marketingstrategien genutzt werden können. So wird Connected Packaging nicht nur ein Werkzeug für höheres Engagement, sondern auch ein disruptiver Gamechanger für Markenloyalität und datengetriebenes Marketing.
Was ist GS1?
GS1 ist eine globale Organisation mit Mitgliedern in 118 Ländern, die Standards für die Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen entwickelt und verwaltet. Der bekannteste Standard ist der Barcode, der auf fast allen Konsumgütern zu finden ist. GS1 Standards werden von Unternehmen weltweit genutzt, um die Effizienz und Transparenz in ihren Lieferketten zu verbessern.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen bei der Umsetzung – und welche Schlüsselnutzen ergeben sich für den CPG-Markt?
Thomas Fell: Die größten Herausforderungen beim Übergang von linearen Strichcodes zu 2D-Codes liegen in der Integration neuer Technologien, im Schulungsbedarf, den Kosten, Kompatibilitätsproblemen, dem Datenmanagement, der Lieferketteneinbindung und in der Sicherstellung von Zuverlässigkeit und Qualität.
Gleichzeitig ergeben sich für den CPG-Markt enorme Vorteile: verbesserte Produktsicherheit, effizienteres Rückrufmanagement, Reduktion von Lebensmittelverschwendung und die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen. Verbraucher erhalten durch die Codes transparente Informationen – direkt am Produkt.
Welche Rolle sehen Sie für Koenig & Bauer bei der Unterstützung der Unternehmen in der Umstellung?
Thomas Fell: Koenig & Bauer spielt als Technologiepartner, wie auch andere GS1 Germany Solution Partner, eine strategische Rolle. Die Drucksysteme ermöglichen die Integration hochwertiger, dynamischer 2D-Codes in industriellem Maßstab. Durch seine Nähe zu Verpackungsherstellern und Markenartiklern ist das Unternehmen in einer idealen Position, die Umsetzung technisch wie auch beratend zu begleiten.
Thomas Vollmuth: Koenig & Bauer kann in diesem Kontext eine Schlüsselrolle einnehmen, weil wir sowohl Druck- als auch Kennzeichnungslösungen für das Aufbringen einzigartiger 2D-Codes auf Verpackungen anbieten – sowohl in Druckmaschinen als auch direkt an der Verpackungslinie. Weiterhin besitzen wir hier ein breites Prozesswissen. Zudem bieten wir mit unserer neuen Connected Packaging-Lösung die Möglichkeit, dass Konsument:innen über den Code an digitale Produktinformationen gelangen können. Dieses breite Spektrum an Lösungen bietet aktuell kein anderes Unternehmen im Verpackungsmarkt. Wir haben bereits Brand-Workshops durchgeführt und unsere vielfältigen Technologien vorgestellt.

Sehen Sie eine Präferenz, neue Anlagen eher bei Markenherstellern selbst zu installieren oder Verpackungshersteller mit der Bereitstellung von (individuell codierten) Verpackungen zu betrauen?
Thomas Fell: Beide Modelle haben ihre Berechtigung. Marken, die volle Kontrolle über Serialisierung möchten, setzen eher auf eigene Systeme. Für viele – insbesondere mittelständische – Unternehmen ist es jedoch effizienter, die Codierung an Verpackungspartner auszulagern. Entscheidend ist, dass beide Wege möglich bleiben – mit klaren, einheitlichen Standards als gemeinsame Grundlage.
Welchen konkreten Nutzen haben Verbraucher:innen durch diese Umstellung?
Thomas Fell: 2D-Codes ermöglichen einen sofortigen Zugang zu Informationen wie Herkunft, Inhaltsstoffen, Nachhaltigkeitsdaten und vielem mehr – direkt mit dem Smartphone, direkt am Ladenregal und auch später zuhause.
Nehmen wir zum Beispiel einen Bluetooth-Kopfhörer. Für die Kaufentscheidung im Geschäft brauche ich mehr Informationen als das, was auf der Verpackung steht. Ich scanne den QR-Code und bekomme zum Beispiel Angaben zu technischen Spezifikationen und Testergebnisse oder Kundenbewertungen. Bei einem erneuten Code-Scan zuhause hilft mir dann ein Video-Tutorial bei der Ersteinrichtung und führt mich zu einer App zur Personalisierung des Klangs. Und weil ich die Kopfhörer über einen langen Zeitraum intensiv genutzt habe und jetzt einen Defekt feststelle, sagt mir der Scan des Codes, ob das Produkt noch Garantie hat und wie ich den Kundenservice erreiche. Ein Code für alles eben. So entstehen viele positive Produkterlebnisse. Das stärkt die Beziehung zwischen Konsument:in und Marke.
Thomas Vollmuth: Unternehmen gewinnen wertvolle Echtzeit-Daten über Kundeninteraktionen, die für personalisierte Kampagnen und optimierte Marketingstrategien genutzt werden können. So wird Connected Packaging nicht nur ein Werkzeug für höheres Engagement, sondern auch ein disruptiver Gamechanger für Markenloyalität und datengetriebenes Marketing.